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| Erich Kästner Schriftsteller 1899-1976
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NEUES VOM TAGE
DA HILFT KEIN ZORN DA HILFT KEIN SPOTT DA HILFT KEIN WEINEN, HILFT KEIN BETEN. DIE NACHRICHT STIMMT, DER LIEBE GOTT IST AUS DER KIRCHE AUSGETRETEN!
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Dem Revolutionär Jesus zum Geburtstag "Zweitausend Jahre sind es fast, seit du die Welt verlassen hast, du Opferlamm des Lebens! Du gabst den Armen ihren Gott. Du littest durch der Reichen Spott. Du tatest es vergebens! Du sahst Gewalt und Polizei. Du wolltest alle Menschen frei und Frieden auf der Erde. Du wußtest, wie das Elend tut und wolltest alle Menschen gut, damit es schöner werde! Du warst ein Revolutionär und machtest dir das Leben schwer mit Schiebern und Gelehrten. Du hast die Freiheit stets beschützt und doch den Menschen nichts genützt. Du kamst an die Verkehrten!
Du kämpftest tapfer gegen sie und gegen Staat und Industrie und die gesamte Meute. Bis man an dir, weil nichts verfing, Justizmord, kurzerhand, beging. Es war genau wie heute.
Die Menschen werden nicht gescheit. Am wenigsten die Christenheit, trotz allem Händefalten. Du hattest sie vergeblich lieb. Du starbst umsonst. Und alles blieb beim Alten."
(Erich Kästner)
Dekan Siegfried Stelzner gibt kluge Antworten Genau betrachtet, spricht Respekt für Christus aus diesem Gedicht. Doch auch Resignation. „Du tatest es vergeben.“ Wir Menschen, wir Christen konnten nichts anfangen mit dem, was Christus uns gab. Wir haben nichts daraus gemacht. Und so hat er umsonst gelebt, ist umsonst gestorben. Er war der Menschensohn voller Macht, der Hebräerbrief sagt, er war ein Hoher Priester, der sogar den Himmel durchschritten hat – doch wir haben uns ihm nicht würdig erwiesen. Unsere Welt hat sich nicht verändert seit 2000 Jahren – und deshalb sind unsere Gottesdienste, unser Glaube allenfalls ein frommer Selbstbetrug.
Doch nein, ich denke man müsste sich wehren, wenn Erich Kästner, wenn andere, dies behaupten. „Die Christenheit hat Jesus verraten“ – so pauschal stimmt das sicher nicht. Wie viele Menschen gibt es, die mit all ihrer Kraft Christus nachfolgen, die versuchen zu handeln wie er. Es sind Menschen, die sich einsetzen für andere, aus christlichen Motiven. Ich danke an viele Einzelne, die versuchen friedlich und ehrlich zu sein, in der Schule oder am Arbeitsplatz. Sie sind offen und sensibel für die Probleme anderer, sprechen sie an und versuchen zu helfen. Wie viele kirchliche Gruppen setzen sich ein für die Umwelt oder für das hilfreiche Zusammenleben von Ausländern und Deutschen. Nein, alle diese Menschen haben Christus nicht verraten, sondern bekommen von ihm Kraft und Mut – auch in den Gottesdiensten, die sie besuchen. Und auch alle, die still und unaufdringlich ihren Glauben leben, haben Jesus nicht verraten. Sie stützen ihr Leben auf das feste Vertrauen, dass Gott sie begleitet auf ihrem Weg durch die Welt und sie bleiben durch Gebet und das Bibellesen mit ihm verbunden. Auch die Warner und Mahner unter uns tun das, was Jesus von seinen Jüngern erwartet. Sie weisen hin, auf die Ungerechtigkeiten und Unmenschlichkeiten, die den Schwachen angetan werden. Sie legen die Finger in die Wunden der Welt und scheuen weder Konflikte mit den Machthabern, noch eigene Nachteile oder Strafen. Nein, Jesus hat nicht umsonst gelebt, er ist nicht vergeblich gestorben – was er getan hat, ist nicht vergessen, sondern bewegt und ermutigt die Menschen heute, wie eh und je.
Doch wie eh und je, haben die Menschen, haben wir Christen auch unsere dunklen Seiten. Von der Versuchung ist die Rede im Hebräerbrief. Es ist ja tatsächlich manchmal zum Weinen, wie schnell dahin ist, was wir uns vorgenommen haben. Der leichtere, der komfortablere, der schnellere Weg – wie oft sind wir ihn gegangen und haben unsere Überzeugung hinten angestellt. Christen haben bei allen unsauberen Dingen mitgemischt. Ob Not oder Überfluss, ob Leid oder Glück, es gibt keine Lebenssituation, die nicht versuchlich wäre. Die Erfahrung zeigt, dass niemand frei davon ist, den Versuchungen des Lebens zu erliegen – ganz im Gegensatz zu Jesus. Standhaft bleibt er bei dem, was sein Vater ihm auftrug. Die leichteren, die bequemeren Möglichkeiten hat er abgelehnt. Wie wir, musste auch er mit Versuchungen kämpfen – doch er widerstand; er blieb ohne Sünde heißt es im Hebräerbrief.
Dabei können wir ihm nicht folgen. An diesem Punkt haben wir Jesus enttäuscht. Hier müssen wir Erich Kästner wohl Recht geben. Wir haben Jesus verraten. Wir lassen ihn allein bei dem schwereren Weg und gehen den leichteren. Eigentlich eine traurige, trostlose Bilanz. Wir haben versagt und versagen noch immer. Das müsste uns enttäuschen und mutlos stimmen – doch was ich im Hebräerbrief lese, spricht eine andere Sprache: „Darum lasst uns hinzutreten mit Zuversicht zu dem Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden.“ Das heißt doch: Unser Versagen in manchen Stunden, es mag Erich Kästner stören, es mag der Kirche vorgehalten werden, es mag uns selbst enttäuschen, Gott stört es nicht!
Er schraubt seine Erwartungen nicht so hoch, als dass wir sie nicht erfüllen könnten. Er kennt die Schwierigkeiten, die das Leben und der Glauben mitbringen, und ist barmherzig mit uns. Jesus hat das Leben mit seinen Versuchungen mitgemacht, er ist selber eingestiegen und er weiß, worum es geht. Im Gegensatz zu uns, hat er es aber geschafft, ohne Schaden durchzukommen. Er ist ohne Sünde geblieben. Doch das distanziert ihn nicht von uns. Das hebt ihn nicht über uns hinaus, sondern das bringt ihm Verständnis, Sympathie für uns. Er gibt uns zu erkennen, dass er mit uns geht, auch mit unserer Schwachheit und Unzulänglichkeit. Ich bin froh darum. Ich merke, ich habe Gottes Sympathie schon und muss mich nicht krampfhaft darum bemühen. Ich kann meinen Glauben leben, ohne die Angespanntheit und Sorge, ob ich auch wirklich in jeder Situation so handle, wie es Gott von mir erwartet. Und so kann ich nun zum Gottesdienst kommen, ohne die furchtbare Frage: Was bringt unser gemeinsames Beten, Singen und Zuhören für mich und andere. Ich kann da sein und mich freuen, dass Gott mit mir den Weg des Glaubens geht. Und ich kann wissen, dass Gott unter uns ist und nicht mehr von uns erwartet, als wir geben oder leisten können. Amen Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen Siegfried Stelzner Dekan |
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