Die Verwandlung toter Materie
Vor gut drei Jahren gelang es dem Team erstmals, das vollständige Erbgut eines Bakteriums in ein andersartiges zu übertragen. 2008 machte Venter Schlagzeilen, als er das im Labor synthetisierte Erbgut des primitiven Bakteriums Mycoplasma genitalium der Weltöffentlichkeit präsentierte.
Im vergangenen Jahr verfeinerten die Genom-Architekten das Verfahren für die Erbguttransplantation zwischen zwei Bakterienarten. In den vergangenen Monaten kombinierten sie all diese Schritte und präsentierten das Resultat nun in der neuen Ausgabe des Fachjournals Science: ein Bakterium mit einem künstlichen Genom. Man könnte auch sagen: die Verwandlung toter Materie in eine zwar primitive, aber doch lebendige Kreatur.
"Wir betrachten Gene als Software"
Das klingt nach göttlicher Schöpfung. Oder doch eher nach Frankenstein? Davon will Venter nichts wissen. "Wir schaffen Leben nicht von Grund auf neu. Wir nehmen das Material des Lebens, die Bausteine der DNS, und setzen sie neu zusammen. Wir bauen also auf mehr als drei Milliarden Jahren Evolution auf. "
Als Vorbild für die Konstruktionsarbeiten diente den Bioingenieuren diesmal das Erbgut des Bakteriums Mycoplasma mycoides, dem Erreger einer Lungenkrankheit bei Rindern. Stück für Stück bauten sie die DNS aus den vier chemischen Grundbausteinen nach, aus denen jedes Erbgutmolekül auf diesem Planeten besteht. An einigen Stellen veränderten sie die Abfolge der Bausteine und fügten genetische Wasserzeichen ein, um hinterher beweisen zu können, dass ihr künstliches Genom und nicht das natürliche die Zellen steuert.
Dieses Konstrukt schleusten sie in eng mit Mycoplasma mycoides verwandte Bakterien ein, wo es umgehend die Kontrolle über die Zellen übernahm. Nach 30 Zellteilungen analysierten die Forscher die Zellen und fanden keinen Hinweis darauf, dass sie ursprünglich einmal einer anderen Art angehörten.
Venter vergleicht das Geschehen mit einer neuen Software, die man auf einen alten Computer aufspielt: "Wir betrachten Gene als Software, der Rest der Zelle ist die Hardware. Sobald man einer Zelle das neue genetische Programm verpasst, fängt sie sofort an, es abzuspielen."
Werkzeug oder Waffe?
Für Venter ist damit der Beweis erbracht, dass sich Mikroorganismen auf dem Reißbrett entwerfen lassen. Am Computer entworfene Erbgutsequenzen werden von Automaten im Labor zu biochemischen Erbinformationen synthetisiert. Das Erbgut wird einer Empfänger-Mikrobe eingepflanzt, die fortan tut, was das neue genetische Programm ihr befiehlt: Arzneimittel oder Biotreibstoff produzieren, Umweltgifte abbauen, Ölteppiche zerfressen - oder in den Händen von Terroristen zu einer Biowaffe erwachsen.
So sei das mit Werkzeugen, sagt Venter, dessen Worten die Medien soviel Aufmerksamkeit schenken wie den Werbe-Verheißungen von Apple-Chef Steve Jobs: Einen Hammer könne man ja auch als Waffe missbrauchen.
Einiges spricht dafür, dass die Mikroben mit ihren synthetischen Genen dereinst Venters Versprechen erfüllen werden, einiges dagegen. "Ob dieses Konzept für eine industrielle Anwendung tauglich ist, muss noch nachgewiesen werden", sagt der Biotechnologe Budisa. "Wir verstehen die Ökonomie der Genome bei Lebewesen noch nicht ganz."
Die Manipulationen der Genom-Architekten erschweren das Verständnis. In den genetischen Wasserzeichen codierten Venters Leute verborgene Botschaften. Eine Huldigung ihres Arbeitgebers? Eine Mahnung, sorgsam mit der Schöpfung umzugehen? Wie man die Botschaft entschlüsselt, verrät Craig Venter nicht.
aus: süddeutsche.de
John Craig Venter (* 14. Oktober 1946 in Salt Lake City, Utah) ist ein US-amerikanischer Biochemiker, der durch ein Projekt zur Sequenzierung des menschlichen Genoms bekannt wurde. Zudem wurde von ihm als erstem Menschen in seinem eigenen Projekt die komplette DNA entziffert.[1]
Der als „Herr der Gene“ bezeichnete Venter zog jedoch auch vielfache Kritik auf sich und ebenso seine Firma, vor allem wegen seiner Patentansprüche und der forcierten „Privatisierung von Information“.
HORROR oder HOFFNUNG ?
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