Freitag, 14. Mai 2010

unio mystica

Diese „geheimnisvolle Vereinigung“ der Seele mit Gott (lat. unio mystica), in der Mystik höchste Stufe der Gotteserkenntnis

von O. Schultz-Friese


Weltbild und Wesen der Mystik sind dem westlichen Menschen weitgehend fremd geworden. Die Erfahrungen und Sichtweisen der Mystiker erscheinen dem Unwissenden obskur, da unbegreiflich, vielleicht auch deshalb für das eigene Leben bedrohlich. Wenn das stimmt, was die Mystiker erleben und worüber sie berichten, müßte ich dann in meinem Leben nicht einiges überdenken? So ist diese ganz andere Sicht von Gott, Welt und Mensch eine enorme Herausforderung auch für den Nicht-Mystiker. Die tiefen Einsichten, die den Berufenen zuteil wurden bzw. werden, können das Leben eines jeden Menschen gewaltig bereichern, vertiefen und ihn befähigen, wirklich Mensch zu werden.

Denn, so ausgerechnet Albert Einstein als Wissenschaftler,

"das tiefste Erkennen ist das mystische Erkennen." - Wir alle erleben die Welt nur von außen, der Mystiker erlebt sie auf der inneren Ebene, im "Herzen der Materie", im Jenseits aller Dinge.

Obwohl die meisten Mystiker tief in ihrer Kirche verwurzelt sind und diese immer wieder mit neuem Leben erfüllen, war die Mystik dem Klerus aller Zeiten doch immer ein stilles Problem. Das Geistige in seiner Lebendigkeit und Absolutheit, welches den Kern jeder echten Religiosität bildet, steigt hier aus dem Innersten empor. Es läßt sich auf Dauer nicht in Formen, Regeln oder Dogmen irgendwelcher Art einbinden. Die Mystik bringt einen geistigen Anspruch, eine Aufforderung an den einzelnen, ja sogar an die Institution Kirche mit sich, deren Erfüllung unbequem und kaum durchführbar erscheint. Diese Spannung zwischen dem einzelnen von Gott Berufenen und seiner Kirche war zu allen Zeiten ein Problem für ihn selbst wie auch für seine Glaubensgemeinschaft. Weil sie unbequem waren, Botschaften aussprachen, welche nicht gehört werden wollten, wurden fast alle Propheten des Alten Testamentes verfolgt. Jesus selbst, der die Fülle der Gottesliebe in die Menschheit hineinzutragen hatte, wurde auch durch den Machtanspruch seiner eigenen Synagoge gekreuzigt.

Diese Gegensätzlichkeit zwischen dem Mystiker, seinem Erlebnishorizont und seiner Aufgabe auf der einen und der Institution Kirche auf der anderen Seite wird sicherlich solange bestehen bleiben, wie äußerliche Interessen und Einstellungen das Eigentliche der Kirche verdunkeln.

Die Liebe, welche den innersten Kern jeder mystischen Erfahrung ausmacht, muß sich frei entfalten können; nur dann kann sie Frucht bringen. So weist die Mystik den Menschen - trotz ihrer Einbindung in eine auch äußerlich konstituierte Gemeinschaft, welche eigentlich nur Wegbegleiterin für den geistigen Weg sein kann und soll - immer wieder über diese hinaus auf die für den Menschen wesentliche persönliche Beziehung von Gott und Mensch. Die Kirche kann nur Vorstufe und Vermittlerin dieser Beziehung zwischen dem Menschen und seinem Schöpfer sein. In einer Schau wurde Hildegard von Bingen diese vermittelnde Aufgabe gezeigt: Eine Frau - sie ist Symbol für die Kirche - verbindet Himmel und Erde; unablässig nimmt sie in ihren Leib die Sünderseelen auf, vermittelt ihnen das Heil, entläßt sie dann aber durch den Mund wieder in die Selbständigkeit und Eigenverantwortung ...

Doch was ist Mystik überhaupt?

In der heutigen Zeit wird viel von Bewußtseinserweiterung gesprochen. Mystik im tiefsten Sinne ist Bewußtseinserweiterung, aber eine Ausweitung des menschlich bewußten Seins, des menschlichen Fühlens und Wahrnehmens weit über das übliche Maß hinaus...


Eine Beschäftigung mit dieser Art der Erweiterung von Bewusstsein ist nach meiner Meinung weit lohnender als an der oft scheinheiligen u. nicht enden wollenden Kirchenkritik teilzuhaben.


Übungswege zu finden unter
http://www.benediktushof-holzkirchen.de/
http://www.willigis-jaeger.de/
http://www.beatrice-grimm.de/

Keine Kommentare:

Über mich

BORKEN, Nordrhein-Westfalen, Germany
Lehrer a.D. vielseitig interessiert, erkennt eine deutliche Zunahme negativer Entwicklungen in vielen Bereichen der Gesellschaft